383. Heinrich-Köhler-Auktion: Alle ERIVAN-Lose haben jetzt ein neues philatelistisches Zuhause

Die einzig bekannte Mischfrankatur einer Bergedorf-Marke mit einer Frei­marke eines anderen Staates erzielte 34 000 Euro.

Mit dem eindrucksvollen Verkauf des elften und letzten Teils der Samm­lung „ERIVAN – Altdeutsche Staaten“ endete die traditionelle Frühjahrs-auktion von Heinrich Köhler. Diesmal standen insgesamt 7500 Lose auf dem Programm, die sich über 13 Kataloge verteilten – darunter elf Son­derkataloge sowie ein Katalog mit Ländersammlungen, Nachlässen und Engros-Posten. Und auch der Hauptkatalog beinhaltete neben einer ausgezeichneten Auswahl wertvoller Briefmarken und seltener Belege be­merkenswerte Sonderteile mit hochwertigen Kollektionen. Dank der groß­artigen Beteiligung von Sammlern und Händlern aus aller Welt kam es in den acht Tagen immer wieder zu intensiven Bietergefechten und be­eindruckenden Steigerungen der Ausrufpreise.

Große Bergedorf-Rarität

Mit großer Spannung erwartet wurde der spektakuläre Teil der „verpassten Ge­legenheiten“ – herausragende Alt­deutschland-Stücke, die dennoch in den vergangenen ERIVAN-Auktionen beim ersten Angebot keinen neuen Be­sitzer fanden. „Mein Co-Geschäfts­füh­rer Tobias Huylmans und ich waren uns einig, dass dies kein zweites Mal passieren würde“, sagt Dieter Michelson, ge­schäftsführender Gesellschafter des Auk­tionshauses Heinrich Köhler. „Und das Resultat gibt uns recht: Alle kleinen und großen Seltenheiten haben jetzt ein neues philatelistisches Zuhause.“ Der Clou dabei: Die 40 Lose wurden jeweils zum Mindestgebot von 10 Eu­ro ausgerufen. „Aber die neuen Eigen­tümerin­nen und Eigentümer würdigten mit be­willigten Preisen zwischen 480 und 34 000 Euro die hohe Qualität und Be­deutung der Stücke“, resümiert To­bias Huylmans. „Dafür bedanken wir uns ganz herzlich. Ebenso danken wir von Herzen allen Einlieferern und Bietern für die erneute hervorragende Zusam­menarbeit!“

Apropos „34 000 Euro“: Diesen Preis erzielte eine der ganz großen Raritäten der Bergedorf- und Altdeutschland-Phil­atelie, nämlich die einzig bekannte Mischfrankatur ei­ner Bergedorf-Mar­ke mit einem Post­wertzei­chen eines anderen Staates. Portogerecht frankiert wurde der Brief von Bergedorf nach Cuxhaven mit einer Bergedorfer 1-Schil­ling-Marke und ei­ner Hamburger 2-Schilling-Marke. Der Brief dokumentiert in einzigartiger Art und Weise das komplexe postalische Miteinander der Alt­deutschen Staaten. Denn die Berge­dorfer Post akzeptierte das Postwert­zeichen Hamburgs nicht, stempelte nur die Marke von Bergedorf und rechnete die Frankatur um in 2 1⁄4 Silbergroschen (handschriftlicher Ver­merk in Rot). Daraus ergab sich nach Meinung der zuständigen Postler ein Fehlbetrag von „3/4“ (handschriftlich in Blau), den also der Empfänger zu zah­len hatte. „Allerdings nur theoretisch, da die Kollegen der Hamburger Post ihr eigenes Postwertzeichen entwerteten und damit die Nachtaxe nicht anerkannten“, erläutert Tobias Huyl­mans. Die Bergedorf-Seltenheit glänzt mit einer ihr angemessenen Provenienz und befand sich unter anderem in den von Spitzenraritäten gekrönten Samm­lun­gen von Gaston Nehrlich (1876– 1929) und John R. Boker Jr. (1913– 2003).

Eine Rarität von Weltrang, die größte bekannte Mehrfachfrankatur des „Schwarzen Einsers“, stieg von 40 000 auf 260 000 Euro.

Ein wunderbares Ausnahmestück – 260 000 Euro zum Dritten!

Stichwort „berühmte Philatelisten“: Das Highlight der elften ERIVAN-Auk­tion war einst Teil der Sammlung von keinem Geringeren als Konsul Alfred A. Weinberger (1872–1946), der sich da­durch auszeichnete, nur bestmögliche Qualität zu sammeln. Die Rede ist von einem der spektakulärsten Briefe des Königreiches Bayern. Der Einschreib­brief wird geschmückt von einem senkrechten Sechserstreifen der ersten deutschen Briefmarke, dem „Schwar­zen Einser“, und das in der selteneren b-Farbvariante Tiefschwarz. „Das wunderbare Ausnahmestück weist damit die größte bekannte Mehr­fachfranka­tur und gleichzeitig die größte registrierte gebrauchte Einheit der bayerischen Nummer 1 in Tief­schwarz auf“, so Dieter Michelson. „Es sind nur zwei weitere Sechserstreifen auf Brief dokumentiert, beide allerdings in der häufigeren a-Farbe Grauschwarz, von denen einer seit zirka 90 Jahren nicht mehr aufgetaucht ist.“ Der einmalige Brief ex Konsul Weinberger wurde mit 40 000 Euro ausgerufen und reihte sich mit 260 000 Euro zum Dritten in die Riege der zahlreichen sechsstelligen Ergebnis­se für philatelistische Preziosen ex Eri­van Haub ein. „Ich kann es immer noch nicht glauben: Fünf Jahre ERIVAN-Auk­tionen ha­ben nun ein Ende“, stellt Die­ter Mi­chelson fest. „Es war eine riesige Her­ausforderung für unser gesamtes Team, dieser Mammutaufgabe gerecht zu wer­den. Wir alle bei Heinrich Köhler sind dankbar, dass wir sie meistern durften. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen sehr für ihr großes Engagement. Eine Person möchte ich aber besonders hervorheben: unseren Chef­philatelisten Michael Hilbertz. Auch Erivan Haub schätzte seine ausgeprägte Erfahrung und Kompetenz und über die Jahre entstand ein freundschaftliches und vertrauensvolles Ver­hältnis zwischen den beiden. Sämtliche Losbe­schreibungen aller elf ERIVAN-Auktio­nen bei Heinrich Köhler stammen aus Michaels Feder. Vielen Dank, lieber Mi­chael!“

Eine Versteigerungsserie, die es in sich hat

Die elfte und letzte ERIVAN-Auktion bei Heinrich Köhler bildete den Abschluss der diesjährigen Frühjahrsauktion. Aber bereits in den sieben Versteigerungsta­gen zuvor wurden immer wieder phil­atelistische Feuerwerke entzündet. Da­zu nur zwei Beispiele aus den Sonder­ka­talogen. Blicken wir für das erste ein Jahr zurück: Zur Frühjahrsauktion 2023 startete bei Heinrich Köhler eine Ver­steigerungsserie, die es in sich hat. Denn zum Ausruf kommt seitdem eine Deutschland-Generalsammlung 1849 bis in die moderne Zeit – die Kollektion des leidenschaftlichen Philatelisten und großen Spezialisten Erik B. Nagel (1941– 2023). Sie umfasst gleich mehrere hervorragende Spezialsammlun­gen und viele Raritäten. Dieses Mal konzentrierte sich Teil III auf Deutsches Reich, Deut­sche Kolonien mit Beset­zungs­aus­gaben, Deutsche Nebenge­biete und Deutschland nach 1945. Richten wir unsere Aufmerk­sam­keit auf besagte Besetzungs­ausga­ben. „Im Januar 1915 be­setzten britisch-indische Trup­pen die zur damaligen deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika ge­hörende Insel Ma­fia“, erzählt Tobias Huyl­mans. „Dort wur­den Marken der Schiffs­type von den Besat­zern mit Auf­drucken versehen. Diese zeigen die Buchstaben G.R. und den Insel­na­men MAFIA. Die un­gebrauchten 1-, 2- und 3-Rupien-Werte der britischen Beset­zung der Insel Mafia gehören zu dem Sel­- tensten, was das Sam­melgebiet Deutsch-Ostafrika zu bieten hat.“ Kein Wunder also, dass bei einem Ausruf von 6000 Euro für die drei Exemplare aus der Sammlung Erik B. Nagel der Hammer erst bei 22 500 Euro fiel.

Das zweite Beispiel ist eines der Glanz­stücke einer neuen Offerte des Hauses Köhler, die in der internationalen Phil­atelie für großes Aufsehen sorgte – die faszinierende Sieger-Sammlung zum Thema „Luft- und Zeppelinpost“. „Je­der kennt den Sieger-Katalog“, sagt Dieter Michelson. „Und der Name Her­mann Walter Sieger, der viele Jahre als maßgeblicher Experte Stücke aus diesem Bereich attestiert hat, ist geradezu legendär. Wir haben den ehrenvollen Auftrag erhalten, das phänomenale Material der Familie Sieger inklusive der Prüfsammlung in den philatelistischen Kreislauf zurückzubringen.“ Los ging es damit bei der Frühjahrsauktion im März dieses Jahres. Ein Angebot internationaler Luftpost wie dieses war schon Jahr­zehnte nicht mehr auf dem Markt. Keine Frage, dass auch zu dem weltweit bekanntesten Ereignis der Luft­schifffahrt – dem Unglück von La­ke­hurst – ein philatelistischer „Zeit­zeu­ge“ angeboten wurde. „Im Mai 1937 ging der Zeppelin ‚Hindenburg‘ bei der versuchten Landung im amerikanischen Lakehurst in Flammen auf“, be­richtet Tobias Huylmans. „Die meisten der 17 000 Postsendungen, die das Luftschiff an Bord hatte, verbrannten. Nicht einmal 400 Stück konnten gesichert werden.“ Der ungewöhnlich gut erhaltene Brief aus der Sieger-Samm­lung, verpackt in eine Zellophan-Hülle der amerikanischen Postverwaltung mit Ver­schluss-Vignette, war bei einem Ausruf von 5000 Euro einem neuen Eigentü­mer daher 12 500 Euro wert.

Alle Ergebnisse der 383. Heinrich-Köh­ler-Auktion sind im Internet unter www.heinrich-koehler.de verfügbar.